
Am Puls der Natur!
Wie entstehen kreative Prozesse?
Für die Produkt-Designerin und Naturvermittlerin Barbara Brouwers aus Aachen spielt der direkte Kontakt mit der Natur eine große Rolle in ihren künstlerischen Arbeiten. Die Serien, die sie unter ihrem Label 'PURE PORCELAIN' produziert, spiegeln mit ihren Namen wie fruit shell - bee hotel – serenity - flower tower - cell circle - für sie wichtige Naturthemen wider. Humorvoll und hintergründig!
Entsteht Gestaltung ‚einfach‘ so?
Bei Barbaras Gestaltungsprozess spielt der taktile Aspekt im Entwurf eine bedeutende Rolle. Ideen kommen ihr meistens während der Arbeit.
"Beim Experimentieren mit unterschiedlichen Materialien gibt es manchmal Überraschungen – diese Spannung brauche ich! Ich bin dann ganz wach und arbeite intuitiv, beobachte dabei sehr genau was passiert. Diese Art zu arbeiten, bringt viele Fehlversuche mit sich, aber mit Geduld entsteht dann manchmal etwas Neues!"
Für Barbara ist der spielerische, suchende Prozess durch ihre intensive Beziehung zur Natur geprägt. Ihre Wahl nach dem Abitur mehrere Jahre auf einem Demeterhof zu arbeiten sieht sie als eine wertvolle und prägende Zeit.
"Mit der Natur zu leben, sich auf den Wechsel der Jahreszeiten einzulassen, Hand in Hand mit anderen zusammenzuarbeiten und gemeinsam die Herausforderung einer 'größtmöglichen Vielfalt im geschlossenen Organismus' zu stemmen. Die Erde vorbereiten, säen, pflanzen, pflegen und gleichzeitig wieder säen...ernten und auf Märkten verkaufen rund ums Jahr. Erdung und Kreisläufe - Beobachtung und Wachsamkeit - gute Planung, trotzdem Flexibilität & Improvisation. Das findet sich auch in meinen Gestaltungsprozessen wieder."
Was ist das Besondere an einer Gipsabformung?
Der Prozess der Abformung, bei dem eine ursprüngliche Form - auch „Mutterform“ genannt – zuerst in Gips abgegossen wird, um danach in ein anderes Material verwandelt zu werden, fasziniert Barbara schon seit ihrem Studium an der Hochschule für bildende Künste & Design in Maastricht.
"Für meine Abschlussarbeit über die Elementarkräfte: Wasser – Feuer – Erde – Luft habe ich Gipsabformungen direkt am Meeresstrand gemacht. Die vom Meer über Nacht modellierten Texturen in Gips festzuhalten und später in verschiedenen Materialien zu gießen bzw. in Glas zu schmelzen war meine Idee. Die so entstandenen Reliefformen sind absolut zeitlos und wollen ertastet, angesehen und eingesetzt werden."
So entstehen Arbeiten mit einer universellen Kraft, die keinen Markttrends nachfolgen. Aus den besonderen Strukturen & Formen der Natur Objekte schaffen, das beschäftigt Barbara auch heute noch.
„Wie kann ich eine natürliche Wirkung erzeugen, ohne direkt die Natur abzubilden? Meine ‚PURE PORCELAIN‘ Serien spiegeln meine Antworten wieder.“
Welche Materialien überraschen im Gestaltungsprozess?
Barbara sieht in vielen Dingen Überraschendes.
„Beim Besuch eines Recyclinghofs hatte ich auch so ein AHA-Erlebnis: Die gepressten Ballen wertloser Verpackungsmaterialien reizten mich damit zu experimentieren. Kann ich mit dem Stapeln und Pressen von Alltagsmaterialien die so entstandenen Oberflächen in Porzellan transformieren? Diese Hinterschneidungen lassen sich eigentlich nicht abformen. Es trotzdem zu versuchen und mit dem, was passiert weiterzuarbeiten. Die Natur der Materialien verstehen zu lernen und ihre Eigenschaften in der Gestaltung zu nutzen. Ich vertraue mich der Natur an und schaffe es manchmal die Grenzen der Machbarkeit zu dehnen.“
Vom Experiment zum Produkt!
So entstehen ihre ersten Porzellan Serien, wie zum Beispiel die ‚flower towers‘.
„Auf den ersten Blick ist nicht ganz klar, woher die Oberfläche der kleinen Vasen stammt. Sie wirken schieferartig, fragil und leicht. Es sind übereinandergestapelte Pappquadrate, die sich in die Höhe schrauben – sie offenbaren nach der Transformation eine sehr feine organische‘ Struktur, betont durch die Licht und Schattenwirkung des weißen Porzellans. Diese geselligen kleinen Türmchen, gefüllt mit einfachen Blüten & Gräsern – eine Blumenwiese für den Tisch!“
Für andere Serien wie die ‚cell circle‘ Serie moduliert Barbara intuitiv ovale ‚Handschmeichler‘ Formen, die an mikroskopische Zellbetrachtungen erinnern. Die Natur offenbart sich in vielen Formen.
Faszination Schlickerguss!
Dass sich in einer Gipsform, in die Porzellanmasse hineingegossen wird, eine Form bildet, begeistert Barbara immer wieder. Die poröse Gipsnegativform entzieht dem Porzellanschlicker seine Feuchtigkeit, und von außen her baut sich die feine Wandung ihrer Objekte auf.
„Das sieht aus wie Zauberei. Auch die Teilnehmerinnen meiner Keramik-Workshops sind immer wieder verblüfft!“
Wenn sie in die Gipsform für ihre ‚serenity‘ Schalen ein wenig flüssige Porzellanmasse füllt und mit ihren Händen kreisen lässt, entsteht durch den Vorgang des Trocknens eine einmalige Zeichnung, die an die Wachstumslinien einer Muschel erinnert.
„Ich lasse das Porzellan einfach fließen und schaue zu, wie sich durch das Trocknen eine feine Linie kreisend langsam vom äußeren Rand nach innen hin bewegt. Durch minimale Bewegungen meiner Hände kann ich den Verlauf dieser Linie steuern und so das Bild mitgestalten, alles bleibt sichtbar. Das macht mir sehr viel Freude. Ausserdem ist der Prozess fas schon meditativ! Das hilft mir immer wieder runterzukommen. ‚serenity‘ bedeutet ' Ruhe, Klarheit, Heiterkeit.“
Entformung!
Der Moment, in dem die gegossene Form nach einer Trockenzeit von einigen Stunden ans Licht kommt, berührt Barbara noch immer. Ihre Objekte sind jetzt greifbar. Nach der ‚Entformung‘ steht die Nachbearbeitung an. Sorgsam nimmt sie jedes Stück in die Hand, versäubert kleine Gießnähte und poliert mit dem Schwamm behutsam die Oberflächen und Ränder. Pure Handarbeit auch hier!
Der letzte Schritt: die Brand- und Qualitätskontrolle
Barbara arbeitet mit einem Weichporzellan aus Limoges. Nach einem Brand auf 1250 Grad und einem nassen Nachschliff sind ihre von der Natur inspirierten Handschmeichler für die tägliche Nutzung fertig - wunderbar leicht, sehr stabil & spülmaschinenfest! Die Herstellung in kleinen Serien ermöglicht es Barbara ihre ‚Hand made in Germany‘ Produkte zu einem erschwinglichen Preis zu produzieren. Individuelle Espresso oder Tee ‚cups‘, die Genuss pur bieten - optisch & haptisch!
Natur & Farbe
Neben der Farbe ‚Weiß‘ sind es die feinen Farbnuancen in der Normandie, die Barbara in kleinen Skizzen und Collagen festhält. Für ihre ‚cup variations‘ entwickelt sie farbige Grautöne, die an Meer, Gischt, Himmel & Regenwolken erinnern. Daraus entstehen Farbverläufe wie in der Natur. Kombiniert mit den unterschiedlichen Formen ergänzen sich die Becher in natürlicher Harmonie.
Barbara & ihre vielfältigen Berufungen
Neben ihrer keramisch-künstlerischen Arbeit, ergibt sich für Barbara die Gelegenheit im „KünstlerInnen-Programm“ des Ludwig Forums – Museum für internationale Kunst - in Aachen Keramik-Workshops anzubieten. Viele Menschen teilen ihr Interesse an ‚Natur‘ und ‚Handwerk‘. Zeitgleich rutscht sie zufällig in die Lehre. Sie arbeitet zunächst als Dozentin im Fachbereich Architektur der RWTH und wechselt später zur FH Design.
Im Dialog mit Studierenden!
Die angehenden ProduktdesignerInnen profitieren in den Grundlagen der plastischen Gestaltung von Barbaras Wissen. Sensibel auf junge Menschen einzugehen und mit ihnen Gestaltungsprozesse zu reflektieren, begeistert sie. Barbara nutzt 'erdige' und natürliche Materialien, die den Studierenden helfen universelle Formen zu 'bauen' und so 3-dimensionale Gestaltung greifbar macht. Wichtig sind ihr die Aspekte: Neugierde & ausprobieren.
Studierende, Kunst & Community
In Kooperation mit dem Ludwig Forum in Aachen, dem Atelier Le Balto und der Hochschule für Design initiiert Barbara das 'Weidenuniversum' - ein Community Projekt. Ihre Designstudierenden flechten gemeinsam mit unterschiedlichen Gruppen, Vereinen & Schulklassen fantasievolle Planeten. Die riesigen Kugeln aus Weidenruten und alten Verpackungsmaterialien verbinden sich im Eingangsbereich des Museums zu einem ganz besonderem Universum. Eine wunderbare Verbindung zwischen Kunst & Natur - gemeinschaftlich gestaltet.
Und jetzt? Natur pur!
2022 streicht die FH Design Barbaras Lehrauftrag aufgrund von Sparmaßnahmen. Sie zieht einen Schlußstrich und wagt es, ausschließlich frei zu arbeiten.
„Die Fridays For Future Bewegung hat mich sehr nachdenklich gemacht. Ich war bei den Demos dabei, aber nicht oft genug. Diese sehr reflektierten jungen Menschen haben mich beeindruckt! Und mich dazu bewogen, ab jetzt mein Kernthema an Kinder weiterzugeben – das Arbeiten mit der Natur.“
Schmetterlinge als zarte Hoffnungsträger?!
Dieser Frage sind die Kinder einer Brennpunkt Grundschule in Aachen im Frühsommer 2024 mit Barbara nachgegangen.
"Als kleine Forscherinnen, Gärtner und Künstlerinnen haben sich die Kinder mit diesen besonderen Faltern beschäftigt. Wir haben sie beobachtet und gezeichnet. Ich habe ihnen gezeigt, wie man mit Naturmaterialien Schmetterlinge gestaltet. Außerdem haben wir auf dem Schulgelände einen Schmetterlingsgarten angelegt. Und unsere Wünsche sind in Erfüllung gegangen. Die Schmetterlinge sind gekommen!"
Mit der gleichen Hingabe, mit der sie die einzelnen Schritte zur Herstellung ihrer Porzellan Serien ausführt, lässt sie auch diese Projekte wachsen. Ihre Vorbereitungen, die selbst gestalteten Bücher & Flyer, die liebevoll arrangierten Ausstellungen mit den entstandenen Kinderzeichnungen & Weidenobjekten zeigen, wie wichtig ihr diese Arbeit und die Bemühungen der Kinder sind.
Natur & Kreativität & Community
Den ‚Gemeinschaftsgarten HirschGrün‘ entdeckt Barbara 2022. Auf einer Ausstellung trifft sie Krystyna Rütten, eine der GründerInnen des Projekts: ‚die Brachfläche im Stadtzentrum von Aachen innerhalb von 10 Jahren in eine paradiesische Oase zu transformieren‘.
„Das HirschGrün war für mich ein großartige Entdeckung - seit unserem ersten gemeinsamen Projekt arbeiten wir an der Etablierung des Gartens als Lernort für Schulen. Kein einfaches Unterfangen, aber wir sind auf einem guten Weg!“
In ihrem ersten Natur-Lern-Projekt mit Kindern im Frühjahr 2023 entstehen u.a. transparente, aus Weiden gestaltete Zaunelemente zum Schutz sensibler Bereiche. Hier schließt sich für sie wieder ihr eigener Kreislauf: Natur direkt bearbeiten und dabei tiefe Zufriedenheit fühlen – und das gemeinsam mit Kindern. Das ist Barbaras Philosophie!
''Jetzt bin ich Naturvermittlerin mithilfe gestalterisch / handwerklicher Mittel. Die Kinder lernen in diesen Projekten direkt in der Natur und erleben die große Vielfalt an Pflanzen und Insekten. Die Imker des Gartens zeigen ihnen die Bienen, und meine neuen Gartenfreundinnen helfen beim Weidenschnitt.“
Was macht die ‚Weide‘ so faszinierend?
Die Kopfweide gehört im deutsch/belgischen/niederländischen Grenzland zum Naturbild. Barbaras Erinnerungen an eine abgebrochene Weide, die im nächsten Frühjahr wieder austreibt und sich somit selbst erneuert, hat sie bei der Arbeit auf dem Biohof beeindruckt. Das ist sehr praktisch, da die Weidenruten jedes Jahr neu zu verarbeiten sind. Die Erinnerung an dieses biegsame Naturmaterial nutzt sie jetzt für ihre Projekte.
„Die Weide ist eine Überlebenskünstlerin! Durch ein besonderes Enzym in ihrer Rinde schlägt sie innerhalb kürzester Zeit Wurzeln. Von ihrer Resilienz können wir etwas lernen. Eine Facette meiner Arbeit ist es immer wieder Fördergelder für diese wichtigen Projekte zu organisieren. Das ist eine große Herausforderung und nicht ganz einfach. Aber bis in die Dämmerung hinein in diesem Paradies zu arbeiten und den Amselgesang wahrzunehmen, körperlich erschöpft zu sein aber mit einem gesunden Geist. Ein besonderer Genuss & Erholung pur für mich!“
Der Weidenzaun!
Im Rahmen dieser Bildungs-Kooperation entstehen in gemeinschaftlicher Arbeit mit Schulkindern, Lehrerinnen und Ehrenamtlern u.a. Nisthilfen für Wildbienen, ein großes Gartentor und ein lebendiger‘ Weidenzaun, der jährlich wieder neugestaltet wird.
"Die Kinder durch diese Projekte zu führen, zu sehen wie sie sich dieses Nachhaltigkeits-Thema erarbeiten und ihre Beziehung zur Natur entwickeln. Das ist beeindruckend und berührt mich tief. Wenn ich dann noch ihre Kreativität ankurbele und Jungs beim Weben zur Ruhe kommen, dann sehe ich das als Bestätigung meiner Konzepte. Der Weidenzaun symbolisiert für mich all das. Und es ermutigt mich, dass die Schuldirektorin der Beeckstraße meinen Umgang mit ihren ‚diversen‘ Kindern als außerordentlich wichtig erachtet."
Als Lern-Patin für junge Menschen wie auch als Patin für den lebendigen Weidenzaun, dessen Weiden jedes Jahr aufs Neue ausschlagen und gestaltet werden wollen, sieht Barbara ihre hoffentlich bald weiter geförderte Arbeit. Dann können viele Kinder von Barbaras Kreativität & ihrer Liebe zur Natur profitieren. Und somit zu wichtigen Multiplikatoren für das Thema ‚Nachhaltigkeit‘ werden!
Als Abschluss noch ein Gedanken-Naturbild von Barbara
"So wie Wurzeln, Pilze und sogar Blumen wie der Löwenzahn sich auf dem Erdboden verbreiten, manchmal sogar alten Asphalt aufsprengen und sich den Weg hin zum Licht bahnen, so sehe ich diese ‚Grüne Idee‘. Dem Löwenzahn fühle ich mich sehr verwandt. Stark verwurzelt, kräftig, lebhaft bitter und mit großem Eifer dabei kleine Samenkörner in die Welt zu schicken."

Name: Barbara Bouwers
Sie ist: Produkt-Designerin, 'Nature art' Künstlerin, Dozentin, Naturvermittlerin
Sie ist zu finden in: ihrem Studio und in ihrer Aachener Werkstatt, bei ihren Workshops im Ludwig Forum und beim Bearbeiten des lebendigem Weidenzauns im Gemeinschaftsgarten Hirschgrün in Aachen, der alten Kaiserstadt, an der Grenze zu den Niederlanden und Belgien
Sie bewundert:
- Patty Smith, die in ihrer Biografie von 2017/18 sehr offen ihr Leben beschreibt mit allen Facetten.
'Das hat mich sehr gestärkt in meiner Arbeits/Lebens-Situation.'
- Giuseppe Penone - Als Vertreter der Arte Povera zeigen seine Installationen und Objekte welche Kräfte in in der Natur stecken.
- Tony Cragg
'Seine Kunst war sehr wichtig für meinen künstlerischen Weg. Seine Art der Gestaltung & des Ausprobierens haben mich sehr inspiriert.'
Ihr WIASOLA Tipp:
'Der Film "Rhythm is it!" von Simon Rattle und Royston Maldoon - ein absoluter Stimmungshelfer, vermittelt Stärke und hat es geschafft meine Ängste wegzuschieben!'
Ihre Lieblingsmusikerin:
- die Liedermacherin Dota Kehr aus Berlin - eine starke Frau!
Zu finden unter: