Rosanna_Minelli_titel

Die Botschaft in Blau //
Messaggio nel Blu

Warum färbt eine Italienerin in Erfurt besondere Blautöne mit einer alten Färberpflanze?

Für Rosan­na Minel­li hat diese Pflan­ze, die schon vor mehr als 1000 Jahren in Europa ange­baut wurde, eine fas­zi­nie­ren­de Geschich­te. Dass die Blät­ter dieser dem Raps ähn­li­chen Pflan­ze mit ihren gelben Blüten den blauen Mode­farb­ton für zwei Jahr­hun­der­te prägte und vieles mehr, ist durch die Recher­che und die Blau­fär­be­rei von Rosan­na wieder sicht­bar gewor­den. Wie das blaue Pig­ment ent­steht und wie der Fär­be­pro­zess abläuft, das ver­mit­telt sie in ihren Färbe Work­shops in Erfurt.

Rosanna und ihre blaue Vision

In ihrem klei­nen Laden auf der berühm­ten Krä­mer­brü­cke erlebt man diese blaue Welt in vielen Facet­ten. Feine Tex­ti­li­en, hand­ge­färbt und bedruckt, die von ihr restau­rier­te blaue Wand­bor­dü­re, blaue Seifen und ihre blaue Pig­ment­samm­lung sind nur ein klei­ner Teil ihrer Pro­dukt­pa­let­te. Aber das gemal­te Por­trät auf der Wand im Anbau zeigt auch, dass Rosan­na neben der Blau­fär­be­rei noch wei­te­re viel­fäl­ti­ge Exper­ti­sen besitzt.

„In meiner klei­nen Manu­fak­tur gebe ich einen Ein­blick, wie nach his­to­ri­schen Rezep­ten der Anbau des Waids und die Her­stel­lung des Blau-Pig­men­tes erfolgt. Auch die Hand­fär­bung ver­schie­de­ner Stoffe, die zu ein­zig­ar­ti­gen Tex­ti­li­en ver­ar­bei­tet werden, zeigen diese wun­der­ba­ren blauen Farben. Das tiefe dunk­le­re Blau erzie­le ich durch das Wie­der­ho­len der Fär­be­vor­gän­ge. Einige Tex­ti­li­en ergän­ze ich mit von mir ent­wor­fe­nen Druck­mus­tern.“

Rosan­na nutzt die japa­ni­sche ‚Shi­bo­ri‘ Druck­tech­nik, d.h. die Aus­spa­rung der zu bedru­cken­den Fläche durch Holz­for­men, für das Bemus­tern ihrer Tex­ti­li­en.  Mit alten Holz­druck­for­men aus Indien und ihren eige­nen Ent­wür­fen, die sie mit einem Hand­werks­meis­ter in Erfurt her­stellt, bedruckt sie so ihre Uni­ka­te. Regio­nal und hand­ge­ar­bei­tet bis in kleins­tes Detail.

Was erfährst du bei Rosannas Pflanzen-Färbeworkshops?

Auch bei den Fär­be­work­shops tauchst du in diese wun­der­ba­re blaue Welt ein. Du lernst nicht nur die Basics der Blau­fär­be­rei mit dem Fär­ber­waid, son­dern in einer Stadt­füh­rung ver­mit­telt Rosan­na dir auch die Bedeu­tung dieser Pflan­ze für die Stadt Erfurt und die umlie­gen­den Dörfer im Mit­tel­al­ter. Mit dem von Rosan­na aus lokal ange­bau­tem Waid her­ge­stell­ten blauen Pig­ment kommt der Über­ra­schungs­ef­fekt ganz zum Schluss. Im blauen Fär­be­bad bekom­men die Stoffe eine gelb/grüne Fär­bung. Erst im Kon­takt mit Sau­er­stoff ent­steht dann die blaue Farbe. Um tie­fe­re Blau­tö­ne zu erhal­ten, muss der Stoff wie­der­holt in die grüne Küpe getaucht werden und wieder an der Luft trock­nen.

Erfurt, Weimar, Bauhaus & das Waid-Blau

Als Hom­mage an das 100-jäh­ri­ge Bau­haus Jubi­lä­um 1919-2019 und an einen ihrer bekann­ten Lehrer Johan­nes Itten ent­wirft Rosan­na eine ‚Blau­haus‘ Kol­lek­ti­on. Das Blau des Fär­ber­wai­des mit den gedruck­ten Qua­dra­ten gibt ihren Schals einen zeit­lo­sen Look.

„Mit der Sorg­falt, die ich beim Färben und Dru­cken brau­che, suche ich auch meine Mate­ria­li­en aus. Meine Stoffe werden zum Teil in einer klei­nen Hand­we­be­rei in Sar­di­ni­en gewebt. Das Garn hier­für besteht aus einem Mix von Merino und sar­di­schen Land­scha­fen sowie Baum­wol­le und Seide.“

Hier ist die kul­tu­rel­le Reise für Rosan­na noch nicht zu Ende. Die Fär­bung durch ihr lokal gewon­ne­nes Erfur­ter Waid­blau kom­bi­niert sie auch hier mit der japa­ni­schen Shi­bo­ri Druck­tech­nik

Welche blauen Aktionen hat Rosanna schon inszeniert?

Zum Krä­mer­brü­cken­fest 2017 taucht Rosan­na die berühm­te Brücke der mit­tel­al­ter­li­chen Krämer in Erfurt mit ihren Ban­nern in ein blaues Licht. Wie im Mit­tel­al­ter hängen blaue Stoff­bah­nen zwi­schen den Häu­sern. Bedruckt mit Bot­schaf­ten bedeu­ten­der Euro­päi­scher Dich­ter und Denker in 8 unter­schied­li­che Spra­chen über­setzt: Latei­nisch, Hebrä­isch, Fran­zö­sisch, Ita­lie­nisch, Rus­sisch, Japa­nisch, Ara­bisch und Eng­lisch Eine Aktion, die zeigt, wie wich­tig Rosan­na das Mit­ein­an­der vor allem in Europa ist. Auch bei ihrer Blau­fär­be­rei sucht sie den Aus­tausch mit ande­ren inter­es­sier­ten Men­schen in Europa. Denn nicht nur in Erfurt, son­dern auch in Teilen Frank­reichs und ihrer Heimat Ita­li­en erlebt das natür­li­che Färben mit dem Waid eine Renais­sance.

Wie kommt eine Restauratorin aus Italien nach Erfurt?

Rosan­na arbei­tet nach ihrem Stu­di­um in Genua als Restau­ra­to­rin an ver­schie­de­nen Pro­jek­ten in der Schweiz, wie an der Kathe­dra­le in Lau­sanne, in Neu­châ­tel, in Basel. Danach geht es nach Bayern, Thü­rin­gen, Sach­sen und Sach­sen-Anhalt. Die Arbeit an einer Wand­ma­le­rei in einer berühm­ten Villa 'F.Benary' in Erfurt Fried­rich schafft eine neue Mög­lich­keit. Sie eröff­net ihren ersten Laden mit Farben und Restau­ra­to­ren Bedarf. Dort orga­ni­siert sie monat­li­che Fach­vor­trä­ge und kommt so in Berüh­rung mit dem Blau der Pflan­ze 'Isatis Tinc­to­ria' - dem Fär­ber­waid -durch einen Maler­meis­ter aus Neu­die­ten­dorf.

Das historische ‚Blaufärben‘

Als gefrag­te Stadt­füh­re­rin für ita­lie­ni­sche, fran­zö­si­sche und deut­sche Gäste in Erfurt und Thü­rin­gen findet Rosan­na bei ihrer Recher­che über die mit­tel­al­ter­li­che Han­se­stadt Erfurt immer wieder das Thema Wai­d­an­bau und die Blau­fär­be­rei.

„Schon seit dem 9. Jahr­hun­dert wird Waid haupt­säch­lich in Thü­rin­gen ange­baut. Das ‚Blaue Gold‘ aus Erfurt ist ein wich­ti­ges Han­dels­gut zu dieser Zeit und sicher­te den Reich­tum der Stadt. Auch die Stadt Genua ist mit dieser blauen Farbe his­to­risch gewach­sen. Der sehr bekann­te Name ‚Jeans‘ bedeu­tet Genova. Dort wurden schon im 16. Jahr­hun­dert für die Hosen der Matro­sen dicke Stoffe aus Baum­wol­le gewebt und mit Waid­blau gefärbt. Erst viel später hat dann Levis Strauss diesen Baum­woll­stoff aus den Städ­ten Genua (Jeans) und Denim in Fran­ke­reich nach USA brin­gen lassen und dort mit dem süd­ame­ri­ka­ni­schen Indi­g­ofera Tinc­to­ria (Blau aus Indien) färben lassen. Das wurde aber schon bald durch das künst­lich her­ge­stell­te Indigo Pig­ment ersetzt.“

Der Waidball – ein vergessenes Handelsgut

Erstaun­lich, dass so wenig Wissen über eine Fär­ber­pflan­ze geret­tet wurde, die allei­nig die Blau­fär­be­rei über Jahr­hun­der­te in Europa bestimmt. Im Mit­tel­al­ter ist der Waid­ball, der aus getrock­ne­ten und gepress­ten Waid­blät­ter besteht, ein wich­ti­ges Han­dels­gut und führt nicht nur in Erfurt, son­dern auch in ande­ren Regio­nen von Europa wie in Genua, Rosan­nas ita­lie­ni­scher Hei­mat­stadt, zu Wohl­stand. Im 17. Jahr­hun­dert wird dann das Waid­blau durch das bil­li­ge­re natür­li­che Indigo aus Indien ersetzt. Und Ende des 19. Jahr­hun­derts kommt schon das künst­lich her­ge­stell­te Indigo Pig­ment zum Ein­satz. In Rosan­nas Laden kannst du diese Waid­bäl­le kaufen, in deine Hei­mat­stadt trans­por­tie­ren und dort einen Fär­be­ver­such star­ten. Oder du züch­test direkt deine eige­nen Pflan­zen mit den Samen des Fär­ber­waid.

Restauratorin und Blaufärberin – Wie passt das zusammen?

Als Restau­ra­to­rin kennt Rosan­na die ver­schie­de­nen künst­le­ri­schen und hand­werk­li­chen Tech­ni­ken der Farb­nut­zung. Unter­schie­de ent­ste­hen je nach Stil­epo­che und den ört­li­chen Gege­ben­hei­ten. Auch beim Thema Waid­blau ist für sie nicht nur die Theo­rie inter­es­sant, son­dern auch die Anwen­dung. So beginnt Rosan­na ihre ersten Färbe-Ver­su­che, recher­chiert weiter und findet einen loka­len Wai­d­an­bau­er zur eige­nen Pig­men­t­her­stel­lung. Eine span­nen­de Reise – auch durch Ita­li­en und Fran­ke­reich - beginnt.

Rosanna und ihr blaues Wissen

Wie wich­tig ist es Rosan­na die Kennt­nis­se der ‚Blau­fär­be­rei‘ wieder zu bele­ben und wei­ter­zu­ge­ben? Mit ihrem Spür­sinn baut sie in Erfurt ein klei­nes blaues Zen­trum auf. Rosan­na fas­zi­niert, wie Umwelt­ein­flüs­se die Fär­be­kraft des Blau­tons beein­flus­sen. Durch ihre Blau­pig­men­te, die sie in die letz­ten Jahre aus der loka­len Ernte eines Wai­d­an­bau­ers gewinnt, doku­men­tiert sie die Blau­in­ten­si­tät abhän­gig von den Wit­te­rungs­ver­hält­nis­sen dieser Jahre. Je nach­dem, in wel­cher Wachs­tums­pha­se sich tro­cke­ne mit feuch­ten Peri­oden ablö­sen, all das beein­flusst den Blau­ton des gewon­ne­nen Pig­ments. Ein schö­ner Gedan­ke, dass die blauen Farb­tö­ne von Rosan­nas Tex­ti­li­en Jahr­gangs­far­ben sind.

Der nächste blaue Schritt –  zum Begreifen & Mitmachen

Still­stand gibt es für Rosan­na nicht. Sie ist immer auf der Suche nach neuen Ver­net­zun­gen. In einem alten Guts­hof im Herzen von Bal­len­stedt hat der Verein ‚hei­mat­BE­WE­GEN‘ ein Gemein­schafts­zen­trum für krea­ti­ve Men­schen eröff­net. Rosan­na färbt dort jetzt grö­ße­re Stoff­men­gen in ihrem Blau. Ein wei­te­rer Schritt, um ihre viel­fäl­ti­gen Pro­jek­te umzu­set­zen. Denn Ener­gie und Ideen sind bei Rosan­na mit ihrem ita­lie­ni­schen Tem­pe­ra­ment bes­tens ver­netzt. Auch für ihre Fär­be­work­shops bietet Rosan­na jetzt wei­te­re natür­li­che Farben an: nicht nur das Blau aus dem Waid, son­dern das Gelb aus der Fär­be­ka­mil­le und der Gold­ru­te oder das Rot der Krapp­wur­zel.

Die Blaufärberei  - und du?

Viel­leicht packt dich auch das Blau­fie­ber, die Mög­lich­keit neu erforsch­tes und altes Wissen zu kom­bi­nie­ren? Die Begeis­te­rung für dieses wun­der­ba­re Geschenk der Natur, dass es zu erhal­ten und weiter neu zu bele­ben gilt?

„Seit vielen Jahren enga­gie­re ich mich für das Blau­fär­ben. Da auch meine Arbeits­zeit end­lich ist, möchte ich das von mir Auf­ge­bau­te per­spek­ti­visch gern in andere Hände legen. Ich suche in den nächs­ten Jahren eine Nachfolger:in, die / der mich ich ein Stück des Weges beglei­tet, sich ein­ar­bei­tet, Lust hat zu lernen und mit­zu­ge­stal­ten.“

Wenn du Inter­es­se hast oder erst­mal in einen Fär­be­work­shop ein­tau­chen willst, dann melde dich bei Rosan­na. Sie freut sich von dir zu hören.

Name: Rosan­na Minel­li


Sie ist: Restau­ra­to­rin für Wand- und Lein­wand-Gemäl­de,  Natur Fär­be­rin, ‘Erfur­ter Blau‘ Laden Inha­be­rin, Freie Dozen­tin, Stadt­füh­re­rin


Sie ist zu finden in: Erfurt, der mit­tel­al­ter­li­chen Han­se­stadt in Thü­rin­gen, in ihrem Laden auf der berühm­ten Krä­mer­brü­cke 


Sie mag: In Ruhe mor­gens einen Kaffee trin­ken und den neuen Tag    &    Kunst mit einem großen K - das bedeu­tet: Kunst, die die Seele berüh­ren kann, Kunst, die Emo­tio­nen und neue krea­ti­ve Impul­se geben kann, egal in wel­chem Jahr­hun­dert sie ent­stan­den ist. Pablo Picas­so, Michel­an­ge­lo Merisi da Cara­vag­gio, Jack­son Pollok, Jacopo da Pon­tor­mo, Leo­nar­do da Vinci, Man Ray, und … und …


Sie bewun­dert:

  • Vir­gi­nia Wolf - bri­ti­sche Schrift­stel­le­rin und Ver­le­ge­rin (1882 -1941)
  • Grazia Deled­da - ita­lie­ni­sche Schrift­stel­le­rin und 1926 Nobel­preis­trä­ge­rin für Lite­ra­tur (1871 -1936)
  • Mar­gue­ri­te Durat - fran­zö­si­sche Schrift­stel­le­rin, Dra­ma­ti­ke­rin, Dreh­buch­au­to­rin und Film­re­gis­seu­rin (1914 – 1996)
  • Camil­le Clau­del - fran­zö­si­sche Bild­haue­rin und Male­rin (1864 -1943)
  • Oriana Fall­a­ci - ita­lie­ni­sche Jour­na­lis­tin und Schrift­stel­le­rin (1929 – 2006)

Ihr WIASOLA Tipp:

„Stelle immer Fragen, suche die Ant­wor­ten und sei nie­mals zufrie­den oder denke: ‚ich habe genug geleis­tet, getan und gesucht.“


Ihre Lieb­lings­kunst:

  • Musik: 'Stabat Mater' von Per­go­le­si
  • Kom­po­si­tio­nen von Arvo Pärt - Der est­ni­sche Kom­po­nist gilt als einer der bedeu­ten­den Ver­tre­ter der Neuen Ein­fach­heit
  • Filme: ‘Fahr­rad­die­be’ von Vitto­rio de Sica & ‘Metro­po­lis’ von Fritz Lang
  • Lite­ra­tur:  "Ein Mann"  von Oriana Fall­a­ci 

Ihre 5 Lieb­lings­mu­se­en:

  • der ‚Louvre‘

  • das ‚Centre Pom­pi­dou‘

  • die ‚Uffizien‘Pompeji

  • und viele, viele mehr!!


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