Die wunderbare Leichtigkeit von Papier
Wie können so fragile Skulpturen aus Papier ihren Raum behaupten?
Diese Frage begleitet Traudel Stahl bei ihrer Arbeit mit dem Material ‚Papier‘. Wie faszinierend dieser Werkstoff in seiner Zartheit und zugleich Stärke sein kann, zeigt sie in ihren vielfältigen Papierobjekten in ihrem Atelier in Köln und bei vielen internationalen Ausstellungen. Einige ihrer Skulpturen geraten nur durch einen Lufthauch in Schwingung, bei anderen wirken die Papierflächen transparent und ihre Form scheint sich fast aufzulösen.
Papier als Grundlage für eine Zeichnung oder ein Aquarell?
Wenn das bis jetzt dein Verständnis von Papier in der Kunst ist, dann lass dich von Traudels Papierskulpturen in Staunen versetzen, die wie hingehaucht skulpturale Formen annehmen, oder in ihrer aneinander gereihten Form wie ein Federkleid wirken. Viele ihrer Arbeiten sind wie ein Sinnbild für die Natur, die uns beim genauen Hinsehen mit ihren wunderbaren Details erstaunt. Wie zart sind die Flügel eines Schmetterlings oder wie fein verzweigt sind die Adern in einem Blatt. Manchmal kombiniert sie diese Naturmaterialien, ein getrockneter Irisstängel oder Gräser, mit ihren handgeschöpften Papieren und hält so auch die Vergänglichkeit der Natur wieder durch ein Naturmaterial fest.
„Mit meinem handgeschöpften Papier und der Art und Weise wie ich es verarbeite, erhalten meine Skulpturen eine Leichtigkeit und Transparenz, die viele Menschen nicht mit Papier verbinden. Es reizt mich mit diesem Material scheinbar Unmögliches möglich zu machen.“
Welche Pflanzenfasern nutzt Traudel für ihre Papierkunst?
Neben Baumwolle und Hanf verarbeitet Traudel auch andere Pflanzenfasern wie z.B. Brennnessel, Stroh oder Spargelschalen. Nach einer Kochzeit von mehreren Stunden zerkleinert sie die Spargelschalen. Diese dünnflüssige Papierpulpe gießt sie zwischen dünne Gräser und Pflanzenstängel, die sie über den Sommer sammelt und trocknet oder frisch verarbeitet. Die feine Färbung ihres Spargelpapiers kombiniert sie mit dem weißen Hanfpapier in ihren fast transparenten, zerbrechlich wirkenden Fensterbildern. Manchmal nutzt sie auch Blüten und besondere Blätter, die sie wie ein grafisches Element in die Struktur der Fensterbilder einbettet. Die vergängliche Natur bekommt so ein weiteres Leben geschenkt. Blicke durch die Natur in die Natur, getragen von einem feinen Naturgerüst.
„Luftig und leicht – so werden viele meiner Arbeiten wahrgenommen. Und nein, sie fallen nicht gleich auseinander und lösen sich nicht auf – aber: sie sehen so aus.“
Aus der Fläche in den Raum
Wenn Traudel ihre handgeschöpften noch feuchten Papierbögen aus Baumwolle auf ihre flachen Formen aus Peddigrohr legt, weiß sie noch nicht genau welche dreidimensionale Form schließlich entsteht. Zuerst schneidet sie die Papierbögen passend zur gelegten Form aus. Mit Fingergefühl schlägt sie das feuchte Papier um die Linien des Peddigrohrs herum. So entstehen erst einmal flache Formen. In der Trockenzeit schrumpft das Baumwollpapier etwas und es zeigen sich die von Traudel angedachten Verformungen. Dann wölben sich diese Formen unter Spannung von der Fläche in den Raum. Beim Zusammenstecken und Verankern der verschiedenen Formen entstehen so ihre Skulpturen, die sie ‚Bewegendes Papier‘ nennt .
„Wenn Menschen an meinem Raumobjekten vorbeigehen, entsteht ein Luftzug. Ihre Bewegung überträgt sich auf die Objekte, die dem Moment des Geschehens folgen und gleichzeitig Teil des Prozesses sind: der Tanz des Augenblicks.“
Wie wird eine Pflanzenfaser zum Objekt?
Für ihre Vorstellung von Papierkunst, die einen dreidimensionalen Raum einnimmt, experimentiert Traudel mit der inneren Rinde des Papiermaulbeerbaums. Kozo ist eine der drei traditionellen japanischen Bastfasern zur Papierherstellung. Die trockene Rinde hat eine lange Einweich- und Kochzeit. Wenn die gekochten Rindenstücke dann beim Auseinanderziehen ihre Faserstrukturen zeigt, entstehen durch Traudels vorsichtiges Ziehen und Dehnen feinadrige Gespinste, die sie zur Gestaltung ihrer Objekte einsetzt. In Kombination mit anderen zarten Papierflächen gestaltet sie so ihre wie hingehauchten Skulpturen aus einer anderen Welt. Fragil und doch stabil.
„Meine Arche ist Sinnbild für gerettetes Leben. Das bearbeitete Papier, löchrig, einzig gehalten von brüchigen Rindenstücken, scheint das Leben einzufangen. In der neuen Materialität zeigen sie sich gebrechlich, winddurchlässig, angreifbar."
Licht und Schatten
Ihre Faszination für dieses besondere Material führt sie zu immer neuen Ansätzen und Experimenten, wie sie mit dem Material ‚Papier‘ ihre Ideen gestalten kann. Dabei ist das Spiel mit der Durchlässigkeit des Materials ein Spannungsfeld für Traudel.
„Aus meinem handgeschöpften Papier, über Peddigrohr gespannt, entstehen florale and figurative Objekte, die zu schweben scheinen. Beleuchtet entstehen märchenhafte Lichtspiele und zauberhafte Anmutungen.“
Grafikerin und Papierkünstlerin.
Als studierte Grafik-Designerin nutzt sie Papier als Basis für ihre gestalterische Arbeiten mit Flächen, Farben und Typografie. Aber diesem Material neue Dimensionen zu geben, dass reizt sie schon nach ihren ersten Versuchen mit ihren selbstgeschöpften Papierbögen. Ihre ‚Papiertiger‘ zeigen mit einem Augenzwinkern wie wandlungsfähig Traudel das Material einsetzt. In Kombination mit grafischen Elementen aus der Natur oder rostigen Eisenteilen entstehen so ihre wilden Gesellen.
Von 'Lausanne to Beijing – International Paper Art'
Bilder und Skulpturen von Traudel Stahl reisen um die Welt, dem Zauber und dem Geheimnis 'Papier' auf der Spur. Lokale, nationale und internationale Ausstellungen von Kanada, der Schweiz, den Niederlanden, Israel, bis China zeigen Papierkunst in seiner einzigartigen Vielfältigkeit. Das uralte Material fasziniert die Menschen noch immer und nicht nur in der Nutzung als Kommunikationsmittel, zum Festhalten von Gedanken und Bildern. Als Werkstoff erforscht und nutzt Traudel die Pflanzenfasern in vielfältiger Art und Weise. Ihre Skulpturen spiegeln ihre Begeisterung und das Potential dieses Materials wider und begeistern in vielen Teilen der Welt. Ihre Arbeiten sprechen eine universelle Sprache, die ohne Typographie ihre Botschaften vermittelt. Wie ihre weißen oder farbigen ‚Fährten‘, die aus handgegossenen Baumwollpapieren bestehen und Kompositionen aus Traudels Streifzüge in Wald und Feld wiedergeben.
Wie wird Papier von Hand hergestellt?
Es braucht viel Geduld und Fingerspitzengefühl, um aus den unterschiedlichen Fasern feines Papiermaterial herzustellen. Viele Pflanzen benötigen eine lange Kochzeit. Der Faserbrei wird dann in einer Wanne mit Wasser (der Bütte) aufgelöst. Mit dem Schöpfsieb wird der wässrige Papierbrei entnommen. Dabei wird der Rahmen waagerecht nach oben herausgehoben, damit eine gleichmäßige Schicht auf dem Sieb entsteht.
Das abgetropfte noch feuchte Papiervlies wird auf einem Filz 'gegautscht‘ also gepresst. Mehrere dieser Schichten werden dann in einer Presse ausgedrückt. Nach einigen Tagen schonender Trocknung sind die Papiere glatt und fertig. Aber Traudel verarbeitet die geschöpften Bögen in feuchtem Zustand oder gießt die Pulpe auf eine Fläche. Mit ihrem Drang Neues zu entdecken und Bekanntes weiter voranzutreiben geht sie neue Gestaltungswege mit ‚Papier‘, die überraschen und begeistern.
Wenn du das Besondere dieses Materials erfahren oder Traudels Papierwelt kennenlernen möchtest, dann besuche sie in ihrem Atelier in der Öko-Siedlung in Köln, umgeben von vielen Pflanzen und der Natur.
Oder auf der nächsten ‚Paper Fibre Art Biennale‘ ( IBPFA) in Taiwan. Zum Thema "EARTH SPEAK: Giving Voice to Paper.“ wird die Wandskulptur 'Berührendes Papier' vom 3. November 2023 - 28. März 2024 zu sehen sein.
Name: Traudel Stahl
Sie ist: Papierkünstlerin
Sie ist zu finden in:
ihrem Atelier in der Ökosiedlung im Kölner Stadtteil Blumenberg. Ihre Arbeiten sind auf nationalen & internationalen Ausstellungen zu sehen.
Ihr WIASOLA Tipp:
Mit Hilfe überraschender Zufällen, Hartnäckigkeit und einer großen Portion Naivität kann frau ganz wunderbare Dinge erreichen.
Zu finden unter:
Sie ist Mitglied bei:
The International Association of Hand Papermakers and Paper Artists
Ihre nächste internationale Ausstellungsteilnahme:
Auf der 'International Biennial for Paper Fibre Art' (IBPFA) mit dem Thema "EARTH SPEAK: Giving Voice to Paper.“
National Taiwan Craft Research and Development Institute (NTCRI) - Nantou, Taiwan, vom 3. November 2023 - 28. März 2024.