Kreative Reise – vom Schrottplatz zum Schmuckstück
Warum hebt eine Schmuckkünstlerin ein Stück verrostetes Eisen, eine alte Scherbe oder ein verwittertes Holzstück auf?
Oft beginnt für Petra Rink, die als Goldschmiedemeisterin viele Facetten der Schmuckherstellung beherrscht, mit einem Fundstück eine spannende kreative Reise, die zu ihren persönlichen Schmuckkästen führt.
‚Abfälle‘ wie ein verrostetes Eisenstück, alte Schlacke, ein verwittertes Holzstück, verbogene Drähte oder ein Stein am Strand, Teile ihrer Werkzeichnungen, farbig bemalte Plexiglasformen oder fein gesägte und vergoldete Metallelemente werden von Petra Rink angeordnet, montiert, verklebt und gelötet bis sie in kleinen Wandkästen zu einem besonderen Schmuckstück werden.
"Oft habe ich eine Geschichte im Kopf, die ich aus der Verbindung, dem Zuordnen meiner Gestaltungselemente erzählen möchte. Manchmal dauert es auch einige Zeit, bis ich beim wiederholten Betrachten und Anfassen des Fundstückes weiß, zu dieser Geschichte passt es."
Warum gibt eine Goldschmiedin an einer Schule in Tunesien einen Workshop?
Im Mai 2006, 2007 und 2008 unterrichtet Petra in Tunesien an den Handwerksschulen "Centre Arts Du Feu" in Nabeul und im "Centre De Bijouterie" in Tunis. Sie gibt einen Workshop für die SchülerInnen der Fachrichtung Keramik, Schmuck und Glas. Das Projekt wird vom deutschen Entwicklungsdienst finanziert.
"Dem damalige Leiter hatte mein kreativer Ansatz mit Materialien umzugehen beeindruckt. Bei einer meiner Ausstellungen im Kupferhof sind wir über meine Schmuckkästen ins Gespräch gekommen. Schön war, dass meine Familie mitgereist ist und meine Söhne den Strand und das Meer genießen konnten - und ich dort interessante Fundstücke gesammelt habe."
"Zuerst waren die SchülerInnen mit der neuen Idee spielerisch mit Materialien umzugehen etwas überfordert. Am Strand der Schule habe ich das verwitterte abgebrochene Brett gefunden und es spontan genutzt um meinen Eindruck von Tunesien in einer Assemblage festzuhalten. Das hat ihnen den kreativen Prozess erklärt. Danach haben sie wirklich tolle Sachen gemacht."
"Wieder in Deutschland habe ich einige Fundstücke für meine Objektkästen-Serie: 'Fish and Ships' genutzt, inspiriert von meinen Eindrücken am Strand von Tunesien."
Die ersten Schritte zur Schmuckkünstlerin.
Die Ausbildung zur Goldschmiedegesellin absolviert sie bei ihrem Vater, der als Goldschmiedemeister an der Königsallee in Düsseldorf noch ganz in der Tradition und in der Perfektionierung des Handwerklichen arbeitet. Für sie ist es danach wichtig sich weiterzubilden und neue Bereiche ihres Berufes zu entdecken.
An der Staatliche Zeichenakademie in Hanau absolviert sie ihre Meisterinnen Ausbildung und ein Studium zur Schmuckgestalterin. Die Dozenten geben den Student:innen einen spannenden Einblick in Kunst, Design und Architektur. Über Franz Better lernt sie die kinetischen Schmuck-Arbeiten von Friedrich Becker kennen. Im Fach Plastisches Gestalten wird mit ungewöhnlichen Materialien experimentiert, was zu vielen spannenden Diskussionen unter den StudentInnen führt - nicht nur in der Schule.
Allein in einer Werkstatt?
Wie entsteht ein kreativer Austausch mit Anderen?
Nach dem Studium in Hanau bewirbt sich Petra bei der Stadt Stolberg, die den alten Kupferhof mit Ateliers und Wohnungen für Künstler wiederbeleben möchte. Von 1993-2008 lebt und arbeitet sie dort als selbstständige Künstlerin. Sie wird Mitglied im ‚Forum für Schmuck und Design‘ in Köln. Der Verein initiiert regelmäßige Gruppenausstellungen in NRW, Workshops, Studienreisen und einiges mehr. Der Austausch mit anderen Mitgliedern, die Tipps und Infos sind wichtig für ihre Arbeit als Selbstständige.
In den Corona Lockdown Zeiten erfährt sie so von Stipendien und Zuschüssen, die ihr finanziell helfen die schwierige Zeit ohne direkten Kontakt zu ihren Kundinnen zu überbrücken.
Seit 2008 hat sie ihre Werkstatt und Galerie in Breinig, in die sie regelmäßig Künstlerinnen und Kunsthandwerkerinnen einlädt mit ihr zu einem gemeinsamen Thema auszustellen.
"Im letzten Jahr war unser Thema ‚3 Farben Grün‘. Mit den Arbeiten einer Grafikerin und einer Textilkünstlerin leuchteten in meiner Galerie wunderbare grüne Naturtöne auf."
Die nächste Gruppenausstellung findet im Dezember 2022 statt – diesmal in Aachen. Dort wird Petra demnächst wohnen und arbeiten.
Was begeistert dich – neben deiner Goldschmiedearbeit?
"Der Dekonstruktivistische Architekturstil, den ich Anfang der 90er Jahre beim Besuch des Vitra Museum erlebt habe, hat mich sehr beeindruckt und beeinflusst. Die Dynamik der unregelmäßigen Formen und Proportionen, ungewöhnliche Einsichten und Ausblicke sind für mich spannende Impulsgeber. Seit dieser Zeit begleitet mich dieser Architekturstil.
Anfang 2020 habe ich in Antwerpen das Hafenhaus von Zaha Hadid besichtigt und war begeistert. Das Maxxi Museum in Rom - auch ein Zaha Hadid Gebäude - werde ich mir im Sommer anschauen - besonders die Ausstellung 'Good News _ Women in Architecture'."
Welches Ziel hast du für die nächsten Jahre?
"Ich möchte gerne für einige Zeit in England oder Amerika leben und arbeiten. Das Land und die Leute intensiver kennen zu lernen, vor Ort einen Einblick in ihrer Art des Kunsthandwerks zu bekommen und mich mit lokalen Künstlern auszutauschen. Einfach mal etwas auszuprobieren, dass ich bis jetzt noch nicht gemacht habe.
Tolle Fundstücke gibt es überall!"
Wie diese Flussperlmuschel, die es überall in Europa gab und jetzt vom Aussterben bedroht ist. Durch die Verschmutzung der Gewässer gibt es im Perlenbach in der Eifel nur noch sehr wenige. Als Schmuckstücke in den Arbeiten von Petra Rink erzählen sie uns ihre eigene Geschichte und zeigen ihre Schönheit wie auch Vergänglichkeit.
Name: Petra Rink
Sie ist:
Goldschmiedemeisterin und Schmuckkünstlerin
Sie mag:
Morgens ganz alleine eine Tasse Kaffe trinken, Frankreich und die Museumsinsel Hombroich
Sie bewundert:
Frauen im allgemeinen, die unbeirrt ihren Weg gehen: selbstbewusst, neugierig und mit Humor
Ihr WIASOLA Tipp:
"Suche den Austausch mit anderen Kreativen und genieße die Bereicherung!"
Ihre 5 Lieblingssongs:
- Fat Freddys Drop - aus Neuseeland
- Habib Koité - aus Mali
- ZAZ - aus Frankreich
- Pongo - aus Angola/Portugal
- Radio Cosmo - geht immer
Zu finden unter: